„Bitte machen, machen und machen!“ – Sophia Tran übers Gründen

Sophia Tran ist ein echtes Multitalent: Als Tech-Influencer bloggt sie über Tec, Travel und Trends, sie ist Partnerin und Prokuristin bei DIGITALHUB.DE und außerdem CEO und Founder von Spotlight! Ventures. Wir haben sie gefragt, wie sie das alles unter einen Hut kriegt, ob Frauen anders gründen als Männer und was sie Gründer:innen rät.

Was hat dich persönlich am Unternehmertum fasziniert, und was ist dein wichtigstes Learning als Unternehmerin?

Mich faszinieren vielerlei Dinge! Zum einen geht es mir darum, nachhaltige Dinge zu kreieren, die einen Mehrwert schaffen. Es macht Spaß, agil sein zu können und alles selbst zu gestalten. Außerdem bin ein großer Fan von Herausforderungen. Denn wer sich ständig nur in der eigenen Komfortzone bewegt, kann sich nicht wirklich weiterentwickeln. In meiner gesamten Laufbahn habe ich bisher keine einzige Entscheidung bereut, sondern eher Dinge, an die ich mich vielleicht nicht rangetraut habe. Man fällt sehr oft auf die Nase, lernt aber daraus und verbessert sich stetig. Daher ist mein wichtigstes Learning, dass man bewusst so oft wie möglich ins kalte Wasser springen sollte. Nur so kommt man voran.

Du hast unglaublich viele Talente und bist gerade im Tec-Sektor sehr erfolgreich, der wahrscheinlich nach wie vor eher männerdominiert ist. Außerdem bist Du mit Deinem Lifestyle- und Fashionblogger-Business top platziert, das ja als Thema klassisch eher Frauen zugeschrieben wird. Machst du da Unterschiede und wie schafft man diesen Spagat?

Das ist eine sehr gute Frage, die ich mir jeden Tag wieder aufs Neue stelle! Ich habe in jedem Fall das Glück, dass ich sehr liberal erzogen wurde und mir selbst aussuchen durfte, womit ich mich beschäftigen möchte. Mein Vater ist Informatiker und Ingenieur und meine Mutter im Schmuck- und Uhrenhandwerk unterwegs. Und so habe ich schon sehr früh in beide Welten hineinschnuppern dürfen. Dazu kam meine frühe Reiselust, sodass ich mittlerweile 53 Länder besucht habe, dabei immer weltoffener wurde und mich für Kulturen, Sprachen, Kulinarisches, Architektur, Orte, Trends und Individuen interessiere.

Dadurch, dass ich schon in der Schule ein Praktikum bei der Telekom absolvieren durfte, war ich recht früh von Technikthemen begeistert, was mich später zu meinem Elektrotechnikstudium führte. Dieses Interesse ist immer größer geworden, sodass mir irgendwann klar war, dass ich gern in der Tec-Branche arbeiten möchte.

Persönlich mache ich gar keine Unterscheidung in „männliche“ oder „weibliche“ Interessen, sondern betrachte meine Hobbys und Leidenschaften ziemlich geschlechterneutral. So kommt es dann dazu, dass ich mich für Beauty und Mode interessiere – aber gleichzeitig eben auch für die neuesten Gadgets, Online-Plattformen und Apps. Ich bin fasziniert von künstlicher Intelligenz, dem Internet of Things und Robotics, aber das schließt klassisch „weibliche“ Interessensfelder nicht aus. Im Gegenteil: Beides lässt sich wunderbar miteinander kombinieren: Das eine geht gar nicht ohne das andere!

Was liebst du am meisten den einzelnen Rollen in deinem Leben, inklusive Unternehmerin sein?

Jede Facette, die ein Mensch mit sich bringt, hat ihre Vor- und Nachteile. Ich bin ein grundsätzlich sehr positiv eingestellter Mensch und offen für neue Themen und Dinge. Diese Einstellung bringt mich im Leben sehr weiter, und es macht Spaß, selten Angst vor Neuem zu haben. Diese Eigenschaften hatte ich aber nicht von Anfang an, sondern habe sie durch viele Situationen erst erlernen müssen. Wenn ich daran denke, dass ich bis zu meinem 18. Lebensjahr noch sehr schüchtern und eher introvertiert war, so bin ich doch froh, wie ich mich weiterentwickelt habe. Nicht nur, weil ich immer wieder ins kalte Wasser geworfen wurde, sondern auch weil ich mich aktiv Hindernissen und Ängsten gestellt habe. Zurückblickend gibt es dabei tatsächlich nichts, was ich bereue oder gern anders gemacht hätte. Dieses selbstständige Denken und der ständige Wunsch, andere Menschen zu unterstützen und sie auf das nächste Level zu pushen, hat mich zu einer heute erfolgreichen Unternehmerin geformt.

Was war für Dich persönlich die Hauptherausforderung beim Thema Gründung?

Ich bin ein sehr kreativer Mensch, der jeden Tag neue Ideen hat – dabei sind es vor allem die bürokratischen Hürden, die mich immer wieder aufhalten.

Aber noch viel wichtiger ist: Es geht gar nicht unbedingt darum, andere Menschen von den eigenen Ideen zu überzeugen. Vor allem muss man selbst daran glauben. Und das ist eigentlich der größte Schweinehund, den man bezwingen muss. Es hilft nicht, immer wieder an sich zu zweifeln oder zu denken, man würde es sowieso nicht schaffen. Vielleicht ist man auch ein klein wenig zu bequem oder hat grundsätzlich Angst vor der Selbstständigkeit. Denn leider können Gründungen ja nun mal auch scheitern.

Für ganz wichtig halte ich die Selbstdisziplin, die eigene Motivation und ein gutes Zeitmanagement. Aber man sollte sich nicht entmutigen lassen: Es ist alles am Ende doch irgendwie machbar!

Viele Gründer:innen stehen gerade zu Beginn ihrer Karriere erst einmal vor der Frage, ob sie nun weiterhin in der gesetzlichen Krankenkasse bleiben können oder ob sie lieber zur privaten Krankenversicherung wechseln sollten. Warum kann es sinnvoll sein, in der gesetzlichen Krankenkasse zu bleiben?

Dafür ist es wichtig zu wissen, dass in Deutschland Krankenversicherungspflicht besteht. Wenn man sich hauptberuflich selbstständig macht, muss man zwar weiter krankenversichert sein, aber nicht zwingend in einer gesetzlichen Krankenkasse. Die Pflichtversicherung dort entfällt also. Stattdessen können Selbstständige frei wählen, ob sie gesetzlich oder privat versichert sein wollen. Wenn also die gesetzliche Krankenversicherungspflicht endet, habt ihr drei Monate Zeit, um euch zu entscheiden, ob ihr freiwillig weiter in der Krankenkasse bleibt oder in die private Versicherung wechselt.

Solltet ihr euer Startup nebenberuflich gründen, ändert sich möglicherweise erstmal gar nichts an eurer Krankenversicherung. Es ist trotzdem wichtig, dass ihr euch in diesem Fall an eure Krankenversicherung wendet und alles einmal kurz klärt.

Wenn ihr zur gesetzlichen Krankenversicherung geht, gibt es einige Vorteile: zum Beispiel können Kinder und Ehepartner:in kostenlos mitversichert werden. Außerdem wird es später schwierig, aus einer privaten Krankenversicherung wieder in die gesetzliche zurückzukehren. Gesetzliche Krankenkassen verlangen keine Gesundheitschecks für die Aufnahme. Und die Beiträge bleiben immer klar kalkulierbar, weil sie gesetzlich geregelt werden. Hinzu kommt, dass das Leistungsspektrum breit ist: Gesetzliche Krankenkassen müssen nämlich alles abdecken, was als medizinisch notwendig gilt. Und das kostenfrei für die Versicherten: Ihr müsst für solche Behandlungen nämlich nicht zuerst selbst bezahlen und die Rechnung dann einreichen, sondern legt stattdessen eure Versichertenkarte beim Arzt vor und werdet einfach so behandelt. 

Du kennst sowohl die männliche als auch die weibliche Gründerszene. Was würdest Du aus Deiner Sicht sagen: gründen Frauen „anders“ als Männer? Wenn ja, wo liegen die Unterschiede?

Aus meiner Sicht gibt es in der Tat den einen oder anderen Unterschied zwischen weiblichen und männlichen Gründer:innen. Es fängt damit an, dass Frauen eine gute Profitabilität enorm wichtig ist, wohingegen sich Männer lieber auf Produktentwicklung oder schnelles Unternehmenswachstum fokussieren. Frauen gründen eher im Bereich Bildung oder E-Commerce und Männer interessieren sich mehr für IT- oder Software-Themen. Das hat vermutlich den Hintergrund, dass Frauen eher einen Abschluss in kreativen oder geisteswissenschaftlichen Studiengängen machen und weniger in den sogenannten MINT-Fächern (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik). Dies führt logischerweise dazu, dass Gründerinnen seltener einen wissenschaftlich-technischen Hintergrund haben und somit in der Tech-Branche aktuell eher unterrepräsentiert sind.

Zusätzlich kommen noch gesellschaftliche Hürden dazu: Frauen werden oftmals so sozialisiert, dass es ihnen wichtiger ist, eine Familie zu gründen und sich selbst weniger um finanzielle Themen zu kümmern. Dadurch erscheint vielen ein sicherer Job mit einem festen monatlichen Gehalt deutlich attraktiver, als mindestens ein Jahr lang auf Einkommen zu verzichten oder sich als Gründerin nur sehr wenig Geld auszahlen zu können.

Männer sind aus meiner Erfahrung heraus insgesamt deutlich risikobereiter, haben weniger Angst zu verlieren und machen gern bei Wettbewerben mit. Viele Jungs lernen schon früh, mit Technik umzugehen, und bauen sie dann später auch selbst bzw. schaffen neue Lösungen. Männliche Gründer sind außerdem häufiger dazu bereit, fremdes Kapital aufzunehmen, um mit ihren Produktideen schneller wachsen zu können.

Du bist ja nicht nur sehr erfolgreich in Deinen Jobs, sondern – von Frau zu Frau gesprochen – auch noch ausgesprochen attraktiv und sympathisch. Gibt es Deiner Meinung nach in unserer Gesellschaft von heute nach wie vor stereotype Vorurteile? Und hast Du für die Female Entrepreneurship-Community einen Tipp, wie man diesen am souveränsten begegnet?

Vielen Dank (lacht), aber natürlich liegt Attraktivität im Auge des Betrachters, und man kann auf so viele Arten attraktiv sein. In jedem Fall gibt es auch heutzutage noch stereotype Vorurteile. Ich bin davon nicht nur als Frau betroffen, sondern auch weil ich nicht wirklich europäisch aussehe. Ehrlich gesagt, habe ich früh gelernt damit umzugehen und nutze diese Stereotype eher zu meinem Vorteil. Ich teile gerne aus, kann aber auch sehr gut einstecken und dabei über mich lachen.

Ich glaube, dass wir Frauen uns viel zu oft in eine Opferrolle drängen lassen. Kleinen Seitenhieben begegne ich immer mit Retourkutschen und reagiere ziemlich gelassen. Man darf einfach nicht immer alles zu ernst nehmen. Das Leben ist zu kurz, um sich herunterziehen zu lassen. Stattdessen sollte man eher seine eigenen Stärken platzieren und stolz laut darüber sprechen. Denn nur Redenden wird auch Gehör geschenkt! Und Erfolg ist am Ende der beste Beweis gegen alle möglichen Vorbehalte.

Hast oder hattest Du in der Retrospektive das Gefühl, dass man sich als Frau z.B. bei einem Pitch mehr „behaupten“ und positionieren muss im Vergleich zu männlichen Bewerbern?

Durch meine Arbeit bei Spotlight! Ventures und auch im Hub sehe ich sehr viele Pitches, nicht nur aus Deutschland, sondern auch viele internationale. Ich habe das Gefühl, dass Frauen immer stärker gesehen werden und auch explizit erwünscht sind – gerade bei den Investor:innen. Es geht dabei nicht um rein weibliche Teams, sondern es werden gemischte Teams bevorzugt. Dies gilt aber auch auf Seiten der weiblichen Investorinnen, von denen es zwar noch nicht ausreichend viele gibt, aber immer mehr. Die Entwicklung ist auf jeden Fall schon mal sehr positiv zu sehen.

Was war für Dich persönlich eine der beeindruckendsten Begegnungen mit anderen weiblichen Personen auf Deinen zahlreichen Reisen, und wodurch haben sie Dich inspiriert, berührt oder ermutigt?   

Durch mein persönliches Interesse am Reisen und die Möglichkeit, dies auch mit der Arbeit zu verbinden, konnte ich mich mit vielen Menschen austauschen. Auf die meisten inspirierenden Personen treffe ich  bei internationalen Konferenzen. Ich kann mich noch gut an die Begegnung mit Sheryl Sandberg, Co-Geschäftsführerin (COO) von Meta Platforms (vorher Facebook) in Dublin erinnern. Sie hat mich wirklich sehr beeindruckt. Nach ihrem Vortrag hatte ich die Chance, gemeinsam mit ihr zu Mittag zu essen. Eine ganz tolle und starke Persönlichkeit, die ein Vorbild für viele Frauen (und Männer) ist. Vor allem zwei Zitate von ihr sind mir in Erinnerung geblieben: „If you’re offered a seat on a rocket ship, don’t ask what seat! Just get on“ und „Done is better than perfect – beide halte ich für absolut richtig und versuche sie auch immer zu beherzigen.

Welche Message hast Du persönlich an alle Gründer:innen, insbesondere weibliche?

Habt keine Angst vor möglichen negativen Konsequenzen oder davor, was andere über euch denken könnten. Ihr habt euer Leben in eurer Hand und bestimmt, was ihr mit euren Talenten umsetzen könnt, egal was andere sagen oder wie die Umstände gerade sind. Wenn ihr euch nicht traut, dann kann ich euch versprechen, dass ihr irgendwann zurückschaut und bereut, dass ihr damals nicht den Mut hattet. Daher: Bitte machen, machen und machen!


Das Interview führten Sandra Runge und Kirsten Bahr (beide TK).

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